Domain-Migrationen und Verlinkungen sind ein spannendes Thema für sich und gehören zum Agenturalltag dazu. Für „Hardcore“-SEOs mag das ein „no-brainer“ sein, aber für weit weniger Google/SEO-affine Menschen sind die Zusammenhänge zwischen Domain-Migrationen und Verlinkungen nicht immer offensichtlich.

Daher soll im Vordergrund dieses Artikels das Thema interne und externe Verlinkungen stehen, wobei auf drei anonymisierte Praxisfälle eingegangen wird. Dieser Artikel soll bewusst nicht alle Feinheiten einer Migration und was dabei alles zu beachten ist, erklären, denn dafür gibt es bspw. hier von Bastian, hier von Alyda, hier von Moz oder hier von Pratik lesenswerte Artikel und Präsentationen. Ziel ist es eher, das Bewusstsein für das Thema Verlinkungen im Rahmen eines Relaunches zu wecken.

Zunächst sei jedoch angeführt, dass die interne Verlinkung aus SEO-Sicht im Wesentlichen drei wichtige Aufgaben hat:

  • Sicherstellung der Erreichbarkeit aller HTML-Dokumente
  • Priorisierung der Inhalte
  • Vererbung der Linkkraft

Die nun folgenden Praxisfälle ergaben sich in den letzten Monaten. Here we go!

Case 1: Verpasste Weiterleitung der Startseite und damit >80 Prozent der Linkkraft verloren

In Fall 1 wurde eine Teilmigration einer Website vorgenommen. D.h., dass nur bestimmte Verzeichnisse aus einer Domain auf eine andere ausgegliedert wurden. Andere Inhalte sowie die Startseite der alten Domain blieben aus unternehmensstrategischen Gründen – zunächst – auf der alten Domain bestehen. Die ausgegliederten Inhalte wurden sauber weitergeleitet und übertragen. Dieser technische Teil wurde aus SEO-Sicht also in der Summe gut umgesetzt.

Nun ist aber historisch bedingt Domain A (links) die deutlich stärkere Domain. Dies liegt vor allem an dem über die Zeit natürlich gewachsenen Backlinkprofil. Das zeigt sich auch beim Backlinkprofil-Vergleich mit Domain B (rechts).

Grundsätzlich zeigen alle sauber durchgeführten Migrationen seit längerem, dass durch Backlinks erzeugte Linkkraft mit korrekten 301-Weiterleitungen fast vollständig weitergegeben wird, was als Kernmechanik der Rankingvererbung dient. Natürlich spielt es hierbei jedoch auch eine Rolle, in welchen Verzeichnissen und auf welchen URLs die Linkkraft generiert wurde und ob diese dann auch migriert werden. Eine Analyse der Linkdaten hatte nachträglich gezeigt, dass die meiste Linkkraft von Domain A auf der Startseite zu finden ist/war und diese wurde eben initial nicht migriert.

Mit der Migration wurden inhaltlich gehaltvolle, aber keine (vergleichsweise) linkkraftstarken Verzeichnisse umgeleitet. Diese Verzeichnisse haben in der Konstellation vor der Migration besser funktioniert, da sie von einer internen Verlinkung(!) von der starken Domain-A-Startseite profitiert haben, denn die Verzeichnisse waren in der Hauptnavigation inkludiert.

Zwar sind im Zuge der Migrationen die Verlinkungen angepasst worden – Domain A hatte also die Inhalte auf Domain B verlinkt. Scheinbar nicht bedacht wurde aber, dass diese vormals internen Verlinkungen innerhalb Domain A nach der Migration zu externen Verlinkungen von Domain A zu Domain B wurden – inklusive schön „harter“ Anchortexte. Der Unterschied ist aus SEO-Sicht offensichtlich, da Google im Rahmen des Algorithmus externe Links völlig anders bewerten muss als interne Links. Es musste damit gerechnet werden, dass nach der Migration Linkkraft weniger bzw. anders durch die Navigation übertragen wurde, da es sich hierbei um eine gravierende Änderung des Linkgraphen – sowohl von Domain A als auch Domain B – handelt.

Mittlerweile wurde entschieden, auch die Startseite weiterzuleiten und somit den Hauptteil der Linkkraft auf Domain B zu übertragen. Zwar zeigt die Abbildung von Searchmetrics (oben), dass die Visibility beider Domains zusammen nun fast wieder das Vor-Migrations-Niveau erreicht hat, dennoch ist hier aufgrund der Trennung der Inhalte aus SEO-Sicht tendenziell Potential verloren gegangen. Es sollte also bei der Planung von Teilmigrationen auch ausführlich analysiert werden, wie sich die externe Linkkraftvererbung und die interne Verlinkung verändert.

Case 2: Teilmigration und Umbau der globalen Navigation

Bedenkt man die oben genannten drei Aspekte der internen Verlinkung nicht gleichzeitig, kann es gerade bei einer Neugestaltung von Websites zu massiven Veränderungen kommen, welche die Rankingperformance einer Webseite nachhaltig verschlechtern können.

Ausgangspunkt des zweiten Falls ist eine (Teil-) Migration von zwei Domains auf eine dritte. Es wurden teilweise Inhalte der Domains C (klein) & D (Hauptdomain) auf eine Domain E migriert. Hierbei wurden jedoch essentielle interne Verlinkungselemente wie die Hauptnavigation, der ausgeprägte Footer (siehe Abbildung unten), thematische Verlinkungen auf den Kategorieseiten und die umfangreiche Paginierung von Domain D nicht übernommen bzw. verändert, obwohl sie zuvor domainweit ausgespielt wurden.

Für den Kenner stellt dies natürlich einen massiven Eingriff in die interne Verlinkung der Informationsarchitektur und eine signifikante Veränderung der Priorisierung von Landingpages dar, welche schlussendlich auch nicht ohne Folgen blieben.

Dass es zunächst in der Visibility nach oben ging, ist durchaus ein interessanter Aspekt. Man muss jedoch bedenken, dass es aus Google-Sicht bei einem Konstrukt notwendig ist, insgesamt drei Domains zu verarbeiten und zu bewerten. Zieht man die Aussage von Gary Illyes hinzu, dass die vollständige Bewertung einer Migration mit neuen URLs bis zu drei Monate dauern kann (hier), ist eine solch nachgelagerte negative Entwicklung weniger überraschend. Achtung: Es wird hier nicht gesagt, dass die interne Verlinkung allein ursächlich ist, sie ist/war aber sicherlich ein entscheidender Punkt.

Anstelle der bisherigen Verlinkungskonstrukte wurde beispielsweise eine Box auf der Startseite implementiert, auf der die wichtigsten Landingpages einmalig verlinkt sind,

und dazu auf ein internes Querverlinkungs-System unter den Themen, die auf einer Art Hashtag-System à la Pinterest basiert, gesetzt:

Durch den Umzug scheint auch ein Teil der Backlinks „verloren“ gegangen zu sein, da hier nicht alle URLs migriert und weitergeleitet wurden. Ein Vergleich der Schnittmengen der verweisenden Domains zwischen Domain E und den beiden anderen Domains ergab, dass vor allem von Domain D ein erheblicher Teil an Verlinkungen weggefallen ist.

Verweisende
Domains

Historisch

Weitergeleitet

Anzahl
fehlender Links

Prozentueller
Anteil

Domain C

931

889

42

5%

Domain D

1.460

1.024

436

30%

Hierbei ist nicht nur die reine Menge, sondern auch die Qualität der verlinkenden Domains von Relevanz. Einige besonders starke Domains, die auf die Vorgängerdomain verlinkt haben, wurden so nicht „mit umgezogen“ beziehungsweise ihre Linkkraft ging durch die Migration verloren.

Bitte achtet bei der Veränderung einer internen Verlinkung beziehungsweise von entsprechenden Modulen auf die Auswirkungen. Diese können teils gravierend für die Performance wichtiger Landingpages sein. Außerdem bitte nicht leichtfertig URLs „wegschmeißen“; prüft diese URLs bitte immer noch auf relevante eingehende Links, beispielsweise mit dem Majestic Siteexplorer: https://de.majestic.com/reports/site-explorer oder wenn es ein paar mehr sein sollen, mit dem Bulk-Checker: https://de.majestic.com/reports/bulk-backlink-checker.

Case 3: Geänderte Linkpriorisierung

Im Zuge dieses Relaunches wurde ebenso die Navigation angepasst. Statt sie jedoch wie in anderen Fällen zu reduzieren, ist sie hier massiv aufgebläht worden. Das vorher existierende Linksiloing wurde komplett aufgebrochen und die Anpassungen führten zu einer massiven Veränderung der Priorisierung der intern verlinkten Inhalte.

Hier einige Beispiele:

Wo vor dem Relaunch „nur“ 814 unique Verlinkungen auf einer URL existierten, gab es nach dem Relaunch 1.173. Aus den einstigen 91 doppelten internen Verlinkungen auf der URL wurden 834(!).

Vorher:

Nachher:

Die folgende Abbildung zeigt exemplarisch für zehn der wichtigsten URLs in einem Verzeichnis den massiven Anstieg der internen Verlinkungen pro URL und den teils auch deutlich angestiegenen Anteil an ausgehenden internen Verlinkungen. Die Anzahl an uniquen Inlinks ist um bis zu ~390 Prozent angestiegen. Die Anzahl an Inlinks allgemein um bis zu 880 Prozent!

Dass solche massive Veränderungen Auswirkungen auf die Performance haben, sollte klar sein. Zugegebenermaßen gibt es Situationen, in denen man auf solche Entscheidungen keinen Einfluss hat. Aber aus SEO-Sicht ist eine solche Verschiebung der internen Verlinkung und damit die zielgerichtete Verteilung der eingesammelten externen Verlinkungen im Rahmen einer Migration als kritisch einzustufen und sollte immer seitens der SEO-Sachverständigen kritisch kommuniziert werden.

Zusammenfassende Bemerkungen:

Im Rahmen einer Migration, ob große oder kleine Domain, beschäftigt euch bitte immer ausführlich mit dem Thema interne und externe Verlinkungen. Natürlich gehört zu einer erfolgreichen Migration eine ganze Menge mehr als das Thema Verlinkungen allein, jedoch wird dieser Aspekt gerne mal – völlig zu Unrecht – runterpriorisiert.

Stellt euch bspw. folgende Fragen und analysiert sie:

  • Was sind meine umsatzstärksten und trafficstärksten URLs?
  • Welche URLs sind am stärksten extern verlinkt?
  • Welche URLs sind am stärksten intern verlinkt?
  • Wie verändert sich meine interne Verlinkung durch die Migration (Vorher-Nachher-Vergleich)?
  • Werden alle Seiten, die stark intern/extern verlinkt sind, auch weitergeleitet?
  • Haben URLs, die ich gegebenenfalls löschen möchte, relevante externe Verlinkungen?

So könnt ihr zumindest einmal die wichtigsten Informationen zusammentragen, um im Rahmen der Migration auf diese URLs besonders Acht geben zu können. Und noch eine Bitte: Bedenkt bei einer Umgestaltung eurer Website immer: Ihr seid – in den allermeisten Fällen – nicht Amazon, Pinterest, Alibaba, Otto. Bitte nicht immer einfach „blind“ übernehmen, was ihr da „vermeintlich“ seht.

Ein abschließender Tipp noch für alle Majestic-Nutzer:

Innerhalb des Site-Explorers bekommt ihr nun auch Informationen zu Outbound Links und das sind in der Analyse von Linkprofilen – auch für das Thema Migrationen – durchaus interessante Daten.